Mein letzter Blog

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von J.P. Conrad

Artikelbild 17.12.2022

Das Geheimnis der Truhe

Es ist tatsächlich schon einige Jahre her, dass ich zuletzt eine Kurzgeschichte geschrieben und veröffentlicht habe. Im Nachhinein wundere ich mich selbst darüber, denn so eine Kurzgeschichte ist ja doch naturgemäß wesentlich schneller geschrieben, als ein Roman. Zum Vergleich: An meinem im August 2022 erschienenen Thriller Die Jagd der Henker habe ich über ein Jahr geschrieben, während ich für Charlies Truhe gerade mal drei Wochen benötigt habe.

"Charlies Truhe" erblickte das Licht der Welt, als ich gebeten wurde, eine Fortsetzungsgeschichte für ein monatlich erscheinendes Stadtmagazin zu schreiben. Zwar wurde das Projekt seitens des Verlages verschoben, aber da war die Story-Idee bereits geboren. Und jetzt wollte ich sie auch aus meinem Kopf bekommen. Von Anfang an war dabei klar, dass "Charlies Truhe" ein Geschenk an meine Leser (und solche, die es noch werden wollen) sein würde. Die Geschichte sollte, zumindest zeitlich begrenzt, jedermann frei zugänglich sein.

Wer mich kennt, weiß, dass ich Geschichten mag, die an nur einem Schauplatz spielen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass einige meiner Lieblings-Hitchcock-Filme ebenfalls limitierte Settings haben: "Cocktail für eine Leiche", "Bei Anruf Mord" oder auch "Das Fenster zum Hof". Gut, letzterer bedient sich eines riesigen (und des damals größten) Indoor-Sets, aber die Hauptdarsteller befinden sich fast ausschließlich in einem Apartment. Es ist dieses Theater-Feeling, das ich so mag. Man muss die Handlung auf wenige Quadratmeter beschränken und beim Schreiben sein ganzes dramaturgisches Können konzentrieren. Die Bühne ist die Welt; so auch in "Charlies Truhe". Hier ist es ein Wohnzimmer bzw. ein Salon mit feinen Möbeln, einem prasselnden Kaminfeuer und, naja, dieser titelgebenden Truhe. Was hat es mit ihr auf sich? Warum ist sie in diesem Raum, obwohl sie vom Stil her so gar nicht dorthin passt? Und vor allem: Was befindet sich in ihrem Inneren? Diese Fragen sollten den Leser, ebenso, wie den Erzähler (wie hieß er noch?) von der ersten Sekunde an, umtreiben.

Ich gebe zu, dass die finale Auflösung nicht von Anfang an feststand. Da gab es einige Varianten, bis ich mich für die endgültige Version entschieden hatte. Den Prolog, der als einziges nicht in dem Salon spielt, habe ich übrigens ganz zuletzt geschrieben. Mir fehlte für den Leser noch ein nachvollziehbares, wenn auch nicht ethisch korrektes, Motiv für Charlies Vorgehen. Das ist mir, bei allem was ich schreibe, sehr wichtig: Man muss das Handeln der Personen begreifen können. Es darf nicht abgehoben und nur auf der Verrücktheit des Protagonisten bzw. der Bösartigkeit des Antagonisten begründet sein. Ich stelle mir stets die Frage: "Würde das im realen Leben funktionieren?". Schließlich ergeben sich Spannung und Schrecken ja im Thriller in der Regel aus dem Umstand, dass es tatsächlich passieren könnte. Oft finde ich ja Inspiration in den Schlagzeilen der Presse.

Die Geschichte von "Charlies Truhe" ist sehr dialoglastig, viele Handlungen werden tatsächlich zunächst nur in der Theorie ausgeführt. Es reizte mich sehr, das zu schreiben und praktisch die "Action" nur verbal stattfinden zu lassen; als Duell zweier Intellektueller.

Am längsten habe ich über den passenden Titel für die Kurzgeschichte gegrübelt. Einfach nur "Die Truhe" ging nicht, da es eine Namensgleichheit mit einem Roman gab. Und auch meine Idee, ihn "Raumangst" zu nennen, verwarf ich wieder. Das klang dann doch zu abstrakt, obwohl genau so die deutsche Übersetzung für (Achtung, Spoiler!) Klaustrophobie lautet.

Man könnte bemängeln, dass "Charlies Truhe" mit zweiundvierzig Seiten doch recht kurz ausgefallen ist. Aber es handelt sich ja auch "nur" um eine Kurzgeschichte. Ich war nie Fan davon, Handlungen unnötig in die Länge zu ziehen; dafür denke ich beim Schreiben zu sehr wie ein Filmemacher. Und wenn ich alles erzählt habe, was ich erzählen wollte, ist eben Schluss. Mit Fleiß Seiten zu füllen liegt mir nicht. Bisher haben es mir meine Leser auch immer gedankt. Wenn mir jemand sagt "Schade, dass es so kurz war", nehme ich das als Kompliment.

Und wer jetzt neugierig auf "Charlies Truhe" geworden ist, kann den Psychothriller Shot, wie versprochen, kostenlos als E-Book und Hörbuch runterladen: Hier klicken. Ich freue mich immer über Feedback meiner Leser. Wer also mit seiner Meinung nicht hinterm Berg halten will, kann mir gerne eine Mail an jpc@jpconrad.com schreiben. Ich antworte auch persönlich, versprochen!

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